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AUF DER SUCHE NACH DEM

WAHREN, SCHÖNEN UND GUTEN

Ode an die Schönheit




Schönheit ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht. Aufgewachsen in einer katholischen Musikerfamilie, war ich stets umgeben von Schönheit in der Musik und sog die großen klassischen Meisterwerke so selbstverständlich ein wie die Luft zum Atmen.


Auch in der Liturgie begegnete ich – mal mehr, mal weniger – von Kindesbeinen an dem Heiligen im Gewand der Schönheit. Gott ist die Wahrheit, die Schönheit und die Güte. Sie muss folglich objektiv erfahrbar sein und liegt nicht nur im Auge des Betrachters, wie das geläufige Sprichwort behauptet, dem ich schon immer misstraut habe.


Bekundet jemand etwa sein Missfallen an Beethovens neunter Symphonie, liegt das Problem eindeutig beim Zuhörer und nicht beim Werk. Woher rührt also die Diskrepanz zwischen der Schönheit und der ihr entgegengebrachten mangelnden Wertschätzung? Zum einen mag sie daher rühren, dass unser Blick für das Wahre und Schöne durch die Sünde getrübt ist.


Zum anderen erhebt wahre Schönheit – und dies unterscheidet sie etwa von billigem Kitsch – Ansprüche an uns. Sie ist nicht nur attraktiv und anziehend, sondern auch anspruchsvoll. Wir können sie nicht nur passiv konsumieren - die Begegnung mit ihr lässt uns nicht kalt, sondern bewegt etwas in uns und hinterlässt bleibende Spuren.


Wahre Schönheit durchbohrt - sie trifft uns wie Amors Pfeil oft unvorbereitet und bisweilen durchaus schmerzhaft. Und gleich Amors Pfeil erwartet sie von uns eine liebende Antwort. Wer von uns wurde nicht schon mal angesichts der überwältigenden Schönheit der Natur und ihrer verschwenderischen Überfülle für einen Moment dem rein Irdischen entrückt?


Schönheit bedarf keiner Rechtfertigung, sie ist ein Wert und ein Ziel an sich, unterwirft sich nicht der immer eiserner um sich greifenden Logik des Utilitarismus. Wir leben in einer Zeit der offensichtlichen Entwertung von Schönheit, einer Zeit, in der uns die Hässlichkeit und Formlosigkeit von Architektur, Mode, Musik, Kunst und leider auch Liturgie ständig ins Auge springt.


Ich bin davon überzeugt, dass die Kirche ihre tragende Rolle als Anwältin der Schönheit wiederentdecken muss. Wie sehr helfen das Betreten einer wunderschönen Kirche, die Betrachtung ihrer für sich sprechenden Kunstwerke und das Erleben einer würdig gefeierten Liturgie dabei, unser Herz und unsere Seele zu Gott zu erheben! Leider stellt indes die Hässlichkeit vieler moderner Kirchenbauten und die landläufige Banalisierung der Liturgie statt einer Hilfestellung ein Hindernis für unseren Glauben dar.


Doch nicht nur die Kirche, ein jeder sollte der Schönheit in seinem Leben mehr Raum zu geben versuchen. Die Beschäftigung mit großartiger Kunst etwa wird unser Leben – völlig ungeachtet unserer Vorkenntnisse – bereichern. Sie wird uns dem näherbringen, der Urheber und Ziel alles Schönen, ja selber die vollkommene Schönheit ist.

 

Dieser Beitrag erschien am 15. Oktober 2020 in der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost".

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