
Schaurige Kürbisgrimassen, Grusel und Grauen, Hexen und Horror, Skelette und Spinnenweben soweit das Auge reicht – alljährlich zeigt uns Halloween seine hässliche Fratze. Ursprünglich wohl auf das keltische Neujahrsfest in Irland zurückzuführen und in den vergangenen Jahrzehnten aus den USA importiert, verdrängt Halloween weltweit immer mehr ein bedeutendes Hochfest aus dem kollektiven Bewusstsein: Allerheiligen. Am 1. November gedenkt die katholische Kirche an diesem Sammelgedenktag aller ihrer Heiligen – der offiziell heiliggesprochenen ebenso wie derer, um deren Heiligkeit nur Gott weiß.
In einigen Gemeinden und Familien werden am „All Hallows‘ Eve“ (Vorabend von Allerheiligen) als schöne Alternative zum grotesken Aberglaubensgetreibe kleine Feste gefeiert, zu denen die Kinder sich als ihre Namenspatronen oder andere Heilige verkleiden und sich spielerisch mit deren Lebensgeschichten befassen.
In diesem Zusammenhang hat das Bischöfliche Jugendamt Augsburg mit seiner neuen Initiative „Holyween statt Halloween“ ein gelungenes Informationsheft mit praktischen Ideen, Tipps und Materialien zur Vorbereitung und Durchführung eines solchen Allerheiligenfestes erarbeitet.
Am in vielen Ländern der Welt gesetzlichen, in einigen Bundesländern gar stillen Feiertag Allerheiligen sind Totengedenken und Gräbersegnung üblich, obwohl diese liturgisch eigentlich zum folgenden Allerseelenfest am 2. November gehören. Die Gräber auf den Friedhöfen werden von den Angehörigen festlich geschmückt und das „Seelenlicht" als Symbol des „Ewigen Lichtes“, das den Verstorben in Christus leuchtet, entzündet. In einer feierlichen Prozession, dem „Gräberumgang", schreitet der Priester durch die Reihen der im Lichtermeer erstrahlenden Gräber und erteilt den Segen.
Die „Seele", ein längliches, mit Kümmel und Salz bestreutes und beliebtes Hefegebäck, geht auf den Allerseelentag zurück. Auch heute noch werden traditionell an Allerseelen „Seelenzöpfe“ gebacken, welche ursprünglich von Pateneltern an ihre Patenkinder verschenkt wurden, die sich mit einem „Vergelt's Gott für die armen Seelen" bedankten.
Seit über 1000 Jahren dient der Allerseelentag der Fürbitte – durch Gebet, Fasten und Buße - nach Vollendung der Verstorbenen bei Gott und bringt uns somit mit der auch unter Katholiken so unpopulären Lehre vom Fegefeuer in Berührung. Dabei meint das Purgatorium nicht etwa eine unterirdische Folterkammer im Stile der Horrorvisionen eines Hieronymus Bosch, sondern die im Tod alles offen legende Begegnung mit dem barmherzigen und gerechten Gott, in dessen Licht, und angesichts von dessen unendlicher Liebe ich meine eigene Lieblosigkeit erkenne und in brennendem Schmerz bereue.
Benedikt XVI. drückte es in seiner Enzyklika „Spe Salvis“ wie folgt aus: „Aber in dem Schmerz dieser Begegnung [mit Christus], in der uns das Unreine und Kranke unseres Daseins offenbar wird, ist Rettung. Sein Blick, die Berührung seines Herzens heilt uns in einer gewiß schmerzlichen Verwandlung 'wie durch Feuer hindurch'.“
An der Schwelle zur finsteren Jahreszeit konfrontieren uns Allerheiligen und Allerseelen mit den großen Themen des Menschseins: Sterben, Tod, Gericht und Ewiges Leben. Im Licht der christlichen Erlösungsbotschaft gesehen sind Allerheiligen und Allerseelen somit nicht nur Tage des Todes, sondern Tage des wahren Lebens, welche uns auf jenes große Osterlicht verweisen, das uns durch die Auferstehung Jesu Christi Hoffnung und Leben über den Tod hinaus verheißt.

Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form am 29. Oktober 2020 in der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost".